Viele Eltern haben schon solche Nächte erlebt: Das Kind schreit plötzlich und ist nicht wieder zu beruhigen. Es fasst sich immer ans Ohr, und wenn man vorsichtig drückt, scheint der Schmerz unerträglich zu sein. Bis gestern hatte das Kind doch nur einen Schnupfen. Und jetzt Ohrenschmerzen? Was ist passiert?
Wenn Krankheitserreger vom Nasen-Rachen-Raum über die Ohrtrompete bis ins Mittelohr vordringen, können sie eine Mittelohrentzündung (Otitis media) auslösen.
Am häufigsten sind Kinder im Alter zwischen 2 und 4 Jahren betroffen, und das hat anatomische Gründe: Die Eustachische Röhre ist bei kleinen Kindern noch sehr kurz und verläuft horizontaler als bei Erwachsenen. Dadurch ist die Belüftung bei einer Erkältung schlechter, und es kommt zu einer Entzündung. Typischerweise setzt die Entzündung sehr plötzlich ein und ist mit heftigen Schmerzen verbunden. Die Schleimhäute der Ohrtrompete schwellen an, das gesammelte Sekret kann nicht abfließen. Der Druck auf das Trommelfell steigt an, und nicht selten reißt das Trommelfell. Keine Angst, der Riss heilt schnell wieder zu. Trotzdem ist eine Arztkontrolle sinnvoll.
Wann zum Arzt?
- Wenn das Kind beidseitig Ohrenschmerzen hat, mit Ausfluss aus dem Ohr
- Wenn nach 2 Tagen keine Besserung eintritt
- Wenn hohes Fieber auftritt oder Schüttelfrost
- Wenn eine Schwellung hinter dem Ohr auftritt
- Wenn das Kind jünger als 2 Jahre ist
Was kann man selbst tun?
Vorbeugend schützen indem:
- Nicht geraucht wird. Passivrauchen fördert die Entstehung von Mittelohrentzündung
- Kein Wasser an’s Ohr wenn Ohrenschmerzen da sind
- Nach dem Baden die Ohren sorgfältig abtrocknen
- Früh genug Mütze auf
- Kaugummi kauen reduziert Tubenentlüftungsstörungen
- Ohren nicht mit Wattestäbchen reinigen
Wie kann man behandeln?
- Zwiebelsäckchen. Die Dämpfe gelten als schmerzstillend und entzündungshemmend. Eine Zwiebel wird klein gehackt und kurz erwärmt, bis Saft austritt. Nun werden die Zwiebelstückchen in ein Baumwolltuch gegeben, und das warme Zwiebelsäckchen auf das Ohr gelegt. Mit einer Mütze fixieren, und 30 Minuten wirken lassen.
- Bei Ohrenschmerzen ist es wichtig, dass die Nase frei ist. Wenn die Nase verstopft ist, sammelt sich weiterhin Entzündungssekret an, und die Ohrenschmerzen werden verstärkt. Nasentropfen oder-Spray wirken schleimhautabschwellend. Der Druck lässt nach, die Schmerzen gehen zurück.
Außerdem gibt es im Handel Tropfen zum Einnehmen, mit der heilenden Kraft der Natur. Die Tropfen bestehen aus einer Pflanzenkombination, die wir hier kurz vorstellen:
- Roter Sonnenhut wirkt der Ausbreitung von Bakterien entgegen, mobilisiert das unspezifische Immunsystem bei chronischen und akuten Entzündungen.
- Schwarzer Holunder wirkt schleimverflüssigend an den Schleimhäuten der Atemwege. Außerdem hat er immunstärkende und antivirale Eigenschaften.
- Kanadische Blutwurzel wirkt schmerzstillend, entzündungshemmend und antimikrobiell.
- Echte Kamille wirkt mild beruhigend, antimikrobiell und entzündungshemmend.
Klinische Studien belegen, dass bei sofortiger Gabe dieser Tropfen 86 Prozent der Kinder, die mit diesen Tropfen behandelt wurden, kein Antibiotikum benötigen. Die Therapie ist besser verträglich. Bei stündlicher Einnahme (max.12x tägl.) werden die Schmerzen meist innerhalb von ein paar Stunden gelindert.
Ebenfalls beliebt und gut wirksam aus der Natur sind:
Aconit D6 (Blauer Eisenhut)
Bei hoch akuten Entzündungen, plötzlichem Krankheitsbeginn, gegebenenfalls Fieber, überempfindlichkeit bei Berührung.
Capsicum annuum D4 (Paprika)
Bei Mittelohrentzündung, häufig auch mit Halsschmerzen und Kopfschmerzen einhergehend.
Hydrastis canadensis (Kanadische Gelbwurz)
Tiefgreifendes Schleimhautmittel, eingesetzt bei entzündeten Schleimhäuten der oberen Luftwege, Ohrenschmerzen und Tubenkatarrh.
Levisticum RH D3 (Liebstöckel)
Sorgt für bessere Belüftung des Mittelohrs. Dadurch kann die Ansammlung des Sekrets beseitigt werden. Anfangs stündlich einnehmen.
Levisticum Öl
Watte damit tränken und in den Gehörgang einbringen.
Zurückhaltung bei Antibiotika
Antibiotika wurden früher routinemäßig bei Mittelohrentzündung eingesetzt. Heute überprüfen die Ärzte sorgfältig, ob die Gabe von Antibiotika notwendig ist.
Warum? Aktuelle Studien von 2010 zeigen, dass nach einwöchiger Antibiotika-Behandlung zwei Jahre lang Resistenzgene in der Darmflora nachweisbar sind. Außerdem wird eine Mittelohrentzündung mehrheitlich durch Viren ausgelöst. Deshalb ist der routinemäßige Einsatz von Antibiotika bei Otitis media nicht zweckmäßig.
Bei Kindern ohne besondere Risikofaktoren hat sich die „wait and see“ Therapie bewährt. Selbstverständlich mit engmaschiger Verlaufskontrolle. Die Komplikationsrate ist nicht höher als bei sofortiger Antibiotikagabe. Aktuelle Leitlinien besagen, dass die Dauer der Krankheit durch die Gabe eines Antibiotikums allenfalls um einen Tag verkürzt wird.
Wenn Ihr Kind Ohrenschmerzen hat, können Sie Ibuprofen oder Paracetamol als Schmerzmittel einsetzen.
Von schmerzstillenden Ohrentropfen wird abgeraten. Besser Schnupfenspray oder Tropfen in das Nasenloch an der Seite geben, wo das Ohr schmerzt. Durch die schleimhautabschwellende Wirkung lässt der Druck und somit der Schmerz schnell nach.
Und jetzt Mütze auf und raus.