Es erwischt uns garantiert dann, wenn wir es am wenigsten gebrauchen können: Bei der Hochzeit unseres besten Freundes oder – schlimmer noch – bei unserer eigenen, beim ersten Date, beim Vorstellungsgespräch, einer wichtigen beruflichen Präsentation, und, und, und. Es gibt so viele Situationen, in denen uns Herpes labialis, zu deutsch Lippenherpes, besonders nervt. Willkommen ist er sowieso nie.
Wo kommt er her?
Man schätzt, dass neunzig Prozent der Bevölkerung das Schmarotzervirus HSV-1 (Herpes Simplex-Virus 1- zur Familie der Herpesviren zählen acht verschiedene) in sich trägt. Infiziert haben wir uns meist vor dem sechsten Lebensjahr, und meistens von unseren Eltern. Beim Küssen kann sich das Virus übertragen, aber auch durch Berührung infizierter Gegenstände oder Trinken aus dem Glas eines Herpesträgers. Oft erfolgt die Ansteckung durch Tröpfcheninfektion, das heißt durch Husten und Niesen.
Diese erste Infektion verläuft meist unbemerkt, weil kaum Symptome auftreten. Wenn sich Symptome zeigen, dann eher im Mund als Zahnfleisch – oder Mundschleimhautentzündung als an den Lippen.
Als Auslöser kommen infrage:
- fiebrige Infekte
- Stress
- Ekel
- Sonne
- Hormonelle Veränderungen, wie etwa Menstruation und Schwangerschaft
- Angst / Nervosität, zum Beispiel bei Prüfungen
Und wo geht er hin?
Das Virus bleibt in uns, lebenslang. Er wandert in die Nervenknoten der Gesichtsnerven und lebt dort in einer Art Schlummerzustand.
Warum reagiert unser Immunsystem nicht auf die frechen Viren? Sie schummeln unserem Immunsystem vor, kein Feind zu sein und wo kein Feind erkannt wird, kann auch keiner bekämpft werden.
Der Schläfer kann aber jederzeit blitzschnell seinen Schlafraum verlassen und erbarmungslos zuschlagen. Der Anschlag kündigt sich durch Kribbeln und Ziepen an. Die Lippe spannt irgendwie, es juckt und brennt eventuell und schmerzt auch. Dann entwickeln sich auf dem Höhepunkt der Virusinvasion hässliche, nässende Bläschen, die man auch als Fieberbläschen bezeichnet, obwohl sie nichts mit Fieber zu tun haben. Die Bläschen platzen auf, dann folgen störende Krusten. Die
ganze Misere kann gut und gerne bis zu zehn Tage dauern.
Es erwischt uns garantiert dann, wenn wir es am wenigsten gebrauchen können
Manche Menschen durchleben die Attacke nur zweimal im Jahr, manche hingegen werden alle vier bis sechs Wochen gepeinigt. Ab sechs Rückfällen pro Jahr sollte auf jeden Fall der Arzt hinzugezogen werden.
Früher Vogel fängt den Wurm
Egal, für welche Therapie Sie sich entscheiden, tun sie es möglichst früh. Je eher ein Herpesmittel angewendet wird, desto besser wirkt es. Es gibt verschiedene Ansätze.
Aciclovir
Seit 1981 ist der Wirkstoff bei uns als Creme im Handel. Das Besondere an Aciclovir ist, dass es die Herpesviren in ihrem Wachstum und ihrer Vermehrung stoppt, aber unsere gesunden, herpesfreien Zellen völlig in Ruhe gelassen werden. Eine Sensation! Das fand auch das Nobelpreiskomitee und verlieh den Entdeckern von Aciclovir, den Amerikanern Gertrude B. Ellon und George H. Hitchings 1988 den Nobelpreis für Medizin.
Es bleibt Ihnen als Verbraucher überlassen, ob sie das Markenprodukt oder ein preiswertes Nachahmerprodukt anwenden. Manche Patienten schwören auf das eine, manche auf das andere. Auf jeden Fall sollten Sie das Präparat fünf bis achtmal am Tag mit einem Wattestäbchen (wegen der Hygiene) einmassieren. Bitte circa fünf Tage anwenden. Natürlich kann man am effektivsten Viren stoppen, wenn noch nicht so viele da sind, daher beginnt man am besten schon mit der Anwendung, wenn es ziept und spannt. Aciclovir ist in Schwangerschaft und Stillzeit erlaubt.
Penciclovir
Wie man an der Endung -vir erkennt, gehört dieser Wirkstoff in die gleiche Gruppe wie Aciclovir. Seit 2005 ist er rezeptfrei als Creme erhältlich. Die Anwendung soll noch gut möglich sein, wenn die Bläschen schon richtig herrausgekommen sind. Jeder muss herausfinden, womit er am besten zurecht kommt. Trotzdem gilt: Früher Vogel fängt den Wurm!
Schüssler’sche Mineralien
Gerade für Kinder gibt es mit der Nr.8 (Natrium Chloratum) eine gute Behandlungsmöglichkeit. Geben Sie dem Kind im akuten Stadium stündlich eine Tablette. Die Tabletten werden nicht geschluckt, nur gelutscht. Man kann auch eine Tablette mit ein wenig Wasser aufschlemmen und diesen Brei direkt auf den Herpes auftragen.
Melissenextrakt
Mit Pflanzenkraft das Gift bekämpfen (das Wort “Virus” kommt aus dem lateinischen und bedeutet “Gift”). Die Melissenwirkstoffe besetzen Andockstellen auf unseren Hautzellen, so dass den Viren der Eintritt verwehrt bleibt.
Zinksulfat-Heparingel
Die Kombination sorgt dafür, dass einerseits die Anfangssymptome wie etwa das Spannungsgefühl gelindert werden, andererseits die Abheilung schneller geht.
Herpespflaster
Da haben sich die Entwickler wirklich Gedanken gemacht, dass Betroffene sich ihrer “Bratsche” oft schämen. Das runde, durchsichtige Pflaster mit etwa einem Zentimeter Durchmesser deckt die Bläschen nicht nur ab, sondern macht sie auch unsichtbar. Es vermindert das unangenehme Brennen und beschleunigt die Abheilung meist sogar ohne lästige Krusten. Wenn das Pflaster anfängt sich zu lösen, was cirka acht bis zehn Stunden dauert, wird es ausgewechselt.
Über den Pflastern darf ruhig Lippenstift aufgetragen werden. Ein vorsichtiges, kleines Bussi ist, wenn das Pflaster die Bläschen wirklich gut umschließt, erlaubt. Beim Essen und Trinken sollten Sie aufpassen, dass alles an seinem Platz bleibt.
Kinder und Schwangere dürfen selbstverständlich auch auf das Pflaster zurückgreifen.
Urin
Es gibt wirklich Leute, die darauf schwören, Eigenurin auf die Lippen aufzutragen. Wem es hilft, der soll es ruhig weitermachen, schaden wird es nicht.
Küssen verboten – Tipps im Umgang mit Lippenherpes
Auch wenn Lippenherpes in den meisten Fällen harmlos ist, so ist es nichts desto Trotz hochansteckend. Daher ist auch hier eine entsprechende Hygiene unumgänglich. Hierzu gehört das altbekannte Händewaschen vor und nach Auftragen der Creme genauso wie das Teilverbot von Zahnbürsten, Handttüchern, Gläsern, Besteck und ähnlichem.
Das Bussi für den Partner sollte man sich bis zur Abheilung aufsparen. Ein Tipp für Sonnenhungrige und Skihasen: UV-Licht setzt die Immunabwehr herab. Das begünstigt wiederum einen Lippenherpes. Daher bitte niemals den Sonnenschutz für die Lippen vergessen.
Ganz besonders Acht geben müssen Mütter bei Säuglingen. Sind sie gerade infiziert, ist sowohl Küssen als auch Schnuller oder Fläschchensauger ablecken passé, da sich die lästigen Virusbiester auch im Speichel befinden. Bei Neugeborenen ist Lippenherpes alles andere als harmlos. Es kann sogar zu sehr gefährlichen Hirnhautentzündungen kommen.
Bitte kratzen Sie niemals die Bläschen auf, sie enthalten Millionen infektiöser Viren. Gerade Kontaktlinsenträger sollten diesen Rat besonders befolgen. Falls Viren, die man dann an den Fingern oder unter den Nägeln hat, ins Auge gelangen, ergeben sich gefährliche Entzündungen. Sehr leicht lässt sich das Auge auch infizieren, wenn Kinder Daumen lutschen und anschließend das Auge berühren.
Viel Spaß im Urlaub oder wo Sie auch gerade sind! Vielleicht haben Sie ja vorsorglich schon ihr Herpesmedikament in der Tasche.